Buch-Welt-Musik
Medium Rezension
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Tambrea, Sabin
Sabin Tambrea - Vaterländer
Vielseitig begabt
Sabin Tambrea ist ein vielseitig begabter Künstler: Schauspieler, Musiker, Schriftsteller. Geboren am 18. November 1984 in Rumänien. Die Eltern sind Musiker. Er kam mit seiner Mutter Rodica und der einige Jahre älteren Schwester Alina 1987 nach Deutschland. Der Vater Bela Tambrea war ein Jahr zuvor bei einer Auslandstournee in Deutschland geblieben. Seine Frau und die Kinder konnten ein Jahr später im Rahmen der Familienzusammenführung nach Deutschland (West) kommen.

Obwohl hochmusikalisch entschied sich Sabin Tambrea für den Schauspielerberuf, in dem er seit Jahren sehr erfolgreich ist. Sein schauspielerisches Talent im Theater wie auch auf der Leinwand bzw. im Fernsehen wird oft als außergewöhnlich gewürdigt. 2021 erschien sein erster Roman “Nachtleben“, der ein großer Erfolg war. Er ist verheiratet und Vater eines Kindes.
Vaterländer
In diesem Buch schreibt Sabin Tambrea über seine Familie: Vater, Mutter, Schwester, Großeltern und weitere Verwandte. Es ist in drei Teile gegliedert und beginnt mit der Ausreise der Mutter, seiner Schwester und ihm als 3jährigem Kind aus Rumänien nach Deutschland. Hier lebt die Familie zunächst in Marl, dann erfolgt der Umzug nach Hagen, weil die Musiker-Eltern dort eine Anstellung als Orchestermitglieder finden. Tambrea beschreibt die Eingewöhnung in die völlig neuartige Umgebung, das Ankommen im fremden Land, das ihm und seiner Schwester Alina, kurz AI von ihm genannt, sehr viel leichter fällt als der Mutter. Der Vater hat sich schon einleben können, da er bereits 1986 nach Deutschland geflüchtet war. Die Eltern haben die Erwartung, dass ihr Sohn Musiker wird wie sie und die große Schwester es sind. Der Druck ist groß, doch Sabin Tambrea kann ihren Erwartungen nicht entsprechen. Er will nicht Musiker, sondern Schauspieler werden. Der erste Teil des Buches beschreibt diesen Prozess und wie er seinen eigenen Weg findet, den schließlich die Eltern akzeptieren.
Der zweite Teil enthält die Memoiren des Großvaters mütterlicherseits, Horea Sava, geschrieben 1991. Diesen Teil verfasste Horea selbst und Sabin Tambrea hat ihn ins Deutsche übersetzt. Horea Sava beschreibt das Leben unter der kommunistischen Partei Rumäniens (also vor Ceausescu). Ab 1940 setzte unter ihr die systematische Verfolgung politischer Gegner ein. Horea Sava wurde verhaftet unter Anschuldigungen, die sich als willkürlich herausstellten. Er verbrachte einige Jahre unter furchtbaren Folterbedingungen in Lagern. Nach seiner Freilassung erhielt er keine Wiedergutmachung, sondern musste froh sein, überhaupt am Leben zu sein bzw. ein einigermaßen normales Leben mit seiner Familie führen zu können. Diese Erfahrungen ließen ihn niemals los und begleiteten ihn bis an sein Lebensende. Er starb 1991 und hinterließ seiner Familie seine Lebensbeschreibungen, die der Enkel nun übersetzte.
Der dritte Teil erzählt von Tambreas Eltern und ihren Familien, dem Leben unter der zunehmenden Diktatur Ceausescus, der in den ersten Jahren seiner Regierung als Erneuerer und Reformator auftrat, dann aber zunehmend diktatorische Züge entwickelte. Das Leben in Rumänien war von großer Armut, Willkür und Bespitzelung geprägt. Die Armut hing mit der Unfähigkeit des Diktators und seinem Personenkult zusammen, der immer groteskere Züge annahm. Das Leben wurde immer schwerer, die Zustände unhaltbarer, so dass Bela Tambrea sich 1986 entschloss, das Land zu verlassen. Er durfte weder seine Frau oder seine Familie von seinen Entschluss wissen lassen, damit sie nicht an seiner Statt verhaftet bzw. der Mutter die Kinder weggenommen würden.
Sabin Tambrea erzählt von der Jugend der Eltern, wie sie sich kennenlernen und nach einigen Hindernissen ein Paar werden, das Leben unter der Diktatur, die engen Familienbeziehungen, das Leben auf kleinstem Raum, die Erfahrungen als Musiker in einem Orchester. Und berichtet von den Repressionen, denen die Zurückgebliebenen ausgesetzt sind, die ihnen das Leben schwer machen, von Gewissensbissen, die Bela Tambrea quälen, weil er sie zurückgelassen hat.
Das Ende führt wieder zum Anfang, der Ankunft in Deutschland.
Ein Liebesbeweis für seine Eltern, seine Schwester, die Familie und die neue Heimat Deutschland
Ein wichtiges Buch, das eindrücklich zuerst die kommunistische Schreckensherrschaft, dann das Regime Ceausescus beschreibt, das Leben in und unter einer Diktatur, der Neuanfang in Deutschland mit den üblichen Schwierigkeiten, aber auch mit viel Hoffnung und dem Willen, dieses Leben in Deutschland zu bewältigen, hier anzukommen und den je eigenen Weg zu finden. Die Bereitschaft, sich auf Deutschland einzulassen, die Chancen und Möglichkeiten zu erkennen und zu ergreifen, die das Leben in Freiheit und Sicherheit bieten, gibt dem Buch einen hellen Vordergrund vor dem dunklen Hintergrund von Diktatur und Willkür. Sabin Tambrea ist Deutschland sehr dankbar für dieses Leben, wenngleich er auch hier die dunklen Seiten nicht übertüncht. Ein sehr warmherziges, lebensvolles Buch verbunden mit einer Hommage an seine Eltern, seine Familie in Rumänien, insbesondere an den Großvater Horea Sava und dessen Frau, ebenso wie an seine große Schwester Alina, die ihn als Kind im Grunde mit aufgezogen hat.
Ich wusste vom Terrorregime Ceausescus, doch die kommunistischen Herrschaftsjahre waren mir nicht präsent. Insofern ist das Buch, da es auf diese Zeit eingeht, auch eine Art Geschichtsunterricht, der eine größere Lücke schließt. Sabin Tambrea ist ein sehr wacher und klarer Zeuge für die Geschichte seiner Familie, seines Herkunftslandes und das Leben in Deutschland.
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