1112 Dexter, Colin Colin Dexter - Inspector Morse Verschiedene | Norman Colin Dexter war ein britischer Schriftsteller, Autor von Kriminalromanen. Geboren wurde er am 29. September 1930 in Stamford, Lincolnshire. Er starb am 21. März 2017 in Oxford. Dexter stammte aus einer gutbürgerlichen Familie und studierte nach dem Schulabschluss und dem Ende seiner Militärzeit am Christ College in Cambridge klassische Sprachen. 1998 machte er dort seinen Masterabschluss. Er unterrichtete einige Zeit an verschiedenen Schulen. 1966 nahm er eine Stellung an einem College in Oxford an, da bei ihm eine beginnende Taubheit diagnostiziert wurde. Er war dort vor allem mit der Erstellung von Prüfungsaufgaben und deren Überprüfung betraut. In dieser Position arbeitete er zu seiner Pensionierung 1988. Neben seiner schriftstellerischen Arbeit war er für die BBC tätig. Hier war er u.a. maßgeblich an einer Folge der Serie „Timeshift“ beteiligt mit dem Titel: „How to Solve a Cryptic Crossword“. Die Universität Lincoln verlieh ihm 2011 einen Ehrendoktor im Bereich Literaturwissenschaft. Schon im Jahr 2000 wurde er mit dem Titel “Officer of the Order of the British Empire “for services to literature“ geehrt.
Laut einer Anekdote – von ihm selbst erzählt – verdankt Dexters Inspector Morse (Endeavour Morse) einem verregneten Urlaub sein Dasein. Dexter langweilte sich und begann, sich die Zeit mit schriftstellerischen Versuchen zu vertreiben. Nach zwei nicht zufriedenstellenden Erzählungen dachte er sich, das müsse er doch besser können. Und so entstand Inspector Morses erster Fall, „Der letzte Bus nach Woodstock“. Ihm folgten in der Zeit zwischen 1975 und 1999 noch 12 Bände. Der 14. Band, erschienen schon 1993, umfasst Kurzgeschichten: „Ihr Fall, Inspector Morse“.
Alle Bände erschienen auf Deutsch zunächst bei Rowohlt, dann bei rororo. Seit 2018 veröffentlichte der Schweizer Unionsverlag sukzessive alle Romane in neuer Bearbeitung. Die Reihe der Neuauflage wurde 2021 mit dem einem Band mit Kurzgeschichten vollendet. Wie wohl Dexters Romane als „altmodisch“ gelten, ist die Neuausgabe des Werkes beständig in den Top 25 der Bestsellerliste Independent (Belletristik) des Börsenblatts des deutschen Buchhandels zu finden
Seit Jahren sind Inspector Morse und Sergeant Lewis auch Helden verschiedener englischer Krimiserien. Zu Beginn wurden verschiedene Romane Colin Dexters für das britische Fernsehen mit John Thaw als Morse und Kevin Whately als Lewis verfilmt. Später entstand dann ein so genanntes Spin-off mit dem Schauspieler als Inspector Lewis (Lewis – der Oxford Krimi). Und seit einigen Jahren ist die Serie „Endeavour“ (Der junge Inspektor Morse) mit Shaun Evans als jungem Morse sehr erfolgreich. Es handelt sich um Kriminalfälle von anderen Autoren, die sich der Charaktere von Colin Dexter bedienen. Diese Serien liefen und laufen seit Jahren auch im Zweiten Deutschen Fernsehen bzw. bei ZDF Neo. Zurzeit, im August 2021, laufen die alten Staffeln „Der junge Inspektor Morse“. Die 7. Staffel der Reihe ist auf Englisch schon erschienen. Die Fans warten gespannt auf die deutsche Fassung. Er ist Detective Inspector und später Detective Chief Inspector bei der Mordkommission Oxford. Alle Fälle spielen in Oxford und Umgebung. Ihm zur Seite steht vom ersten Fall an sein Detective Sergeant Robert Lewis. Die beiden sind verschieden wie Tag und Nacht. Morse, impulsiv, unkonventionell, sehr gebildet und belesen, hält nicht so viel von langweiliger Polizeiwühlarbeit. Er hat den Kopf gerne ein bisschen in den Wolken, tüftelt und rätselt für sein Leben gerne (z.B. jeden Morgen zu Dienstbeginn löst er das Kreuzworträtsel in der „Times“.) Er hat eine außerordentliche Spürnase für Verbrechen und ist sehr erfolgreich in seiner Arbeit. Die langweilige Nachforschungsarbeit und das so genannte „Klinkenputzen“ ist nicht seine Sache. Da muss immer wieder Lewis ran, sein treuer Gefährte. Lewis ist zu Anfang der etwas fantasielose, pedantische, überkorrekte, aber sehr zuverlässige Polizist, ohne den Morse sich wohl des Öfteren in seinen Überlegungen und Theorien hoffnungslos verrennen würde Inspector Morse – wie er leibt und lebt (bildlich gesprochen)
Morse ist in der Regel unglücklich verliebt, d.h. immer in die falschen, weil verdächtigen, Frauen. Lewis dagegen ist verheiratet und mit seiner Frau bzw. seinem Familienleben durchaus glücklich. Morse ist im Laufe der Zeit wahrscheinlich zum Alkoholiker geworden. Einsamkeit und Grübeleien tragen dazu bei. Er wirkt oft mürrisch, raucht wie ein Schlot und behauptet, Alkohol und Rauchen seien unverzichtbar für ihn beim Denken. Mehrfach springt er dem Tod von der Schippe, aber im 13. Band der Reihe (Der letzte Tag) sind Herz und Körper erschöpft. Der jahrelange Alkoholmissbrauch sowie der starke Rauchkonsum und sein auch sonst sehr ungesundes Leben fordern ihren Tribut. Morse liebt klassische Musik, Opern und vor allem Wagner. Er hasst Rechtschreib- und Grammatikfehler und kann dann – und nicht nur dann – recht ungemütlich werden. Ein bisschen blasiert wirkt er dadurch auch. Aber, selbst wenn er seinen Sergeant Lewis zeitweise über Gebühr nervt und strapaziert, so arbeitet der doch gerne mit zusammen, weil er nun mal ist, wie er ist. Gerade das Unkonventionelle und Fantasievolle ziehen Lewis an. Die Tretmühle Polizeialltag wird durch Morse für ihn erträglicher. Und im Laufe der Jahre und der Ermittlungen lernt Morse seinen Lewis immer mehr zu schätzen und zu mögen. Die beiden brauchen einander, zusammen sind sie ein sehr gutes Team, irgendwie die zwei Seiten einer Medaille. Endeavour bedeutet Anstrengung, Bemühung. Morse ist über diesen Vornamen nicht glücklich. Und wer eine Übersetzung für Morse sucht, kommt über das Morsealphabet nicht weit hinaus. Allerdings handelt es sich auch um einen englischen Familiennamen. Colin Dexters Bücher sind im besten Sinne altmodisch, das alte Whodunit-Spiel wird gespielt, aber bereichert um wirklich interessante Fälle. Zudem ist Morse klug, integer, unkonventionell, ein bisschen bärbeißig, aber immer wieder mitfühlend, nachdenklich. Einer, der wirklich wissen will, wie es war und der keinen Dienst nach Vorschrift kennt. Er lässt sich nicht bestechen, steht sich aber manchmal selbst im Weg und hat einen Hang zu Melancholie und Weltschmerz, die er beide mit Alkohol, Rauchen und Wagner zu betäuben sucht. Die Geschichten sind gut erzählt mit überraschenden Wendungen. U.a. wenn und weil Morse sich in seinen Gedankenkonstruktionen verrennt. Zum Glück für ihn ist Lewis zur Stelle, der ihn auf die Erde zurückholt.
Das Ganze ist immer wieder witzig, vor allem die Beschreibung der blasierten Oxforder Gelehrten-Oberschicht, die alle eine oder mehrere Leichen im Keller haben. Morse zeigt oftMitgefühl für die Unterpriviligierten, für die Gescheiterten, für Prostituierte (manchmal ein bisschen zu sehr, das tut dann am Ende wieder weh) und Kleinkriminelle. Dexters Beschreibung von Frauenfiguren ist manchmal vielleicht ein bisschen sexistisch und überaltet – aus heutiger Sicht betrachtet – aber er ergreift immer wieder Partei für die Frauen, die von Männern der Ober- oder Unterschicht verachtet und misshandelt werden. Und die Romane sind nie übermäßig gewalttätig oder pornographisch. Gewaltpornographie sucht man bei Colin Dexter vergeblich. Das rechne ich ihm hoch an. Titel der Inspector Morse-Reihe
1. Der letzte Bus nach Woodstock (1975)
2. Zuletzt gesehen in Kidlington (1976)
3. Die schweigende Welt des Nicholas Quinn (1977)
4. Eine Messe für all die Toten (1979)
5. Die Toten von Jericho (1981)
6. Das Rätsel der dritten Meile (1983)
7. Hüte dich vor Maskeraden / Das Geheimnis von Zimmer 3 (1986)
8. Mord am Oxford-Kanal / Gott sei ihrer Seele gnädig (1989)
9. Tod für Don Juan / Der Wolvercote-Dorn (1991)
10. Finstere Gründe / Der Weg durch Wytham Woods (1992)
11. Die Leiche am Fluss / Die Töchter von Kain (1994)
12. Der Tod ist mein Nachbar (1996)
13. Und kurz ist unser Leben / Der letzte Tag (1999)
• Ihr Fall, Inspector Morse (1993, Erzählungen)
Die abweichenden Titel beruhen auf denen der früheren Rowohlt-Ausgaben. Alle Bände sind – wie schon erwähnt – im Unionsverlag Schweiz neu erschienen.
Bei Gefallen: Einfach alle lesen. Ich habe alle seine Romane mittlerweile gelesen und das gerne. Vor allem „Gott sei ihrer Seele gnädig“, „Der letzte Tag“ und „Ihr Fall, Inspector Morse“ haben es mir angetan.
„Gott sei ihrer Seele gnädig“. In diesem Roman liegt Morse im Krankenhaus, weil er es mal wieder mit Alkohol, Rauchen und ungesunder Ernährung zu weit getrieben hat. Und vom Krankbett aus ereilt ihn ein Fall aus dem 19. Jahrhundert, der als vollständig aufgeklärt galt. Morse nun beginnt mit Lewis‘ Hilfe zu ermitteln. Und natürlich sieht seine Aufklärung ganz anders aus. Das hat mir gefallen, das ist geistreich, witzig, spannend und überzeugend ermittelt.
„Der letzte Tag“ ist eine verzwickte Geschichte, in der sich Morse für seinen Sergeant Lewis sehr undurchschaubar verhält. Morse will von dem Fall überhaupt nichts wissen, will sich heraushalten, kann es dann doch nicht und ermittelt wider besseres Wissen. Seiner Gesundheit ist das leider mehr als abträglich und Lewis weiß zuletzt nicht mehr, was er von seinem langjährigen Ermittlerchef und Vorbild halten soll. Kann er ihm noch vertrauen?
„Ihr Fall, Inspector Morse“ ist eine Sammlung von Kriminalerzählungen, die Colin Dexter auf der Höhe seiner Schriftstellerkunst zeigen. Witzig, verschmitzt, geistreich, einfach klasse.
Alle anderen Romane sind ebenso empfehlenswert, z.B. „Die schweigende Welt des Nicholas Quinn“. Hier ist ein Opfer taub. Dies kannte Colin Dexter ja aus eigener Erfahrung.
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