Buch-Welt-Musik
Medium Rezension
1088
Peters, Ellis
Bruder Cadfael und andere Romane von Ellis Peters (Edith Pargeter)
Jürgen Lankowski, David Eisermann, K. Schatzhauser u.a.
Ellis Peters - Edith Pargeter - eine Frau mit vielen Talenten
Ellis Peters (1913-1995) war eine englische Schriftstellerin, Edith Mary Pargeter ihr bürgerlicher Name. Sie erlernte zunächst den Beruf der Apothekerin. Ab 1940 arbeitete sie in der Kommunikationsabteilung des „Women’s Royal Navy Service“, wofür ihr die „British Empire Medal“ verliehen wurde. Sie wurde in Horshay, England geboren und starb in Shropshire. Edith Pargeter wurde bekannt als Autorin neuzeitlicher Kriminalromane, den Inspektor-George-Felse-Romanen (ab 1951). Berühmtheit erlangte sie allerdings zwanzig Jahre später mit ihrem Benediktinermönch Bruder Cadfael (unter dem Pseudonym Ellis Peters). Ein Teil dieser Romane bildete die Vorlage für eine Verfilmung für das britische Fernsehen mit dem englischen Schauspieler Sir Derek Jacobi in der Titelrolle (von 1994-1996). Die Serie lief auch synchronisiert im deutschen Fernsehen und ist als DVD-Sammlung erhältlich. Ihre Bücher erhielten zahlreiche Auszeichnungen und wurden in mehr als 15 Sprachen übersetzt. Weitere Romane von Edith Pargeter/Ellis Peters: Die „Heaven-Tree-Trilogie (zu Deutsch: Der Baumeister von Albion, Das Erbe des Baumeisters, Die Rückkehr des Baumeisters); die historische „Jim-Benison-Trilogie sowie ihre vier Romane um Llwelyn Gwynedd (The Brothers of Gwynedd), die sich mit der walisischen Geschichte beschäftigen. Daneben galt ihr Interesse dem tschechischen Volk und seiner Literatur. 16 Werke übersetzte sie ins Englische. 1968 erhielt sie von der Tschechischen Gesellschaft für internationale Beziehungen die Goldmedaille am Band.
Bruder Cadfael - Stories
Die Romane umfassen einen Zeitraum von ca. neun Jahren. Der erste Roman (Im Namen der Heiligen) ist im Jahr 1137 angesiedelt. Der letzte (Bruder Cadfaels Buße) spielt 1145. Es gibt eine Chronologie der insgesamt 20 Fälle, die man einhalten kann bei der Lektüre, aber nicht muss. Der Erzählband „Das Licht auf der Straße nach Woodstock“ enthält drei Kurzgeschichten. In der ersten, auf die sich auch der Titel bezieht, erfährt man etwas mehr über Cadfaels Herkunft und seinen Eintritt in das Benediktinerkloster. Cadael, geboren um 1080 in Wales, ist ein ehemaliger Kreuzzugsteilnehmer, den es um 1120 in seine Heimat Wales zurückzieht. Im Gefolge eines Ritters kommt er in die Gegend von Shrewsbury, löst dort seinen ersten Fall (Bruder Cadfael und das Licht auf der Straße nach Woodstock) und entschließt sich, nicht nach Wales weiter zu ziehen, sondern in das Benediktiner Kloster in Shrewsbury einzutreten. In den folgenden Jahren gerät er immer wieder in rätselhafte Kriminalfälle, die er mit seinem Freund, dem Sheriff Hugh Beringar, zusammen löst und Unschuldige vor dem sicheren Tod bewahrt oder junge Menschen vor einer Zwangsheirat. Er hat es mit Mördern, Erbschleichern, Habgierigen, Verzweifelten, Verirrten und Kranken zu tun. Immer wieder siegen seine Menschlichkeit und sein Sinn für Gerechtigkeit über das Böse. Das mag ein wenig nach Gutmenschentum klingen, aber man muss ihn einfach lieben und wünscht sich mehr von seiner Art. Er ist gütig und seine Erfahrungen in der Welt haben ihn tolerant gemacht. So sieht er mehr und tiefer als die meisten anderen und entdeckt, was ansonsten verborgen bliebe.
Geschichtlicher Hintergrund Bruder Cadfael lebt in einer für England besonders schweren Zeit. Zwei Herrscher streiten sich um den Thron, einmal die Kaiserin Maud und dann König Stephen von Blois. Beide bestehen auf ihrem Thronanspruch. Und so wird das Land über viele Jahre von Krieg überzogen, die jeweiligen Kämpfer für eine Partei, aber auch Marodeure und Räuber suchen das Land und seine Bevölkerung heim. Parteien wechseln die Seiten, kehren wieder zurück, werden selbst getötet, andere nehmen ihre Stelle ein. Shrewsbury liegt mit seinem Kloster noch verhältnismäßig friedlich, aber auch hier spüren die Menschen die Auswüchse des Krieges. Flüchtlinge kommen von Zeit zu Zeit aus anderen Regionen des Landes und suchen Zuflucht. Kreuzfahrer, die im Orient schwere Verletzungen erhielten, suchen Hilfe im Kloster, ebenso Lepra- und andere Kranke. Ich finde es schwer, bestimmte Romane auszuwählen, da sie mir alle gefallen. Aber meine liebsten (wenn ich nicht gerade die anderen wieder lese) sind drei Romane.
Ein ganz besonderer Fall
Im August 1141 hat wieder einmal eine der beiden Kriegsparteien eine Stadt, in diesem Fall Winchester, angegriffen. Die Menschen fliehen vor den Kämpfen und den Übergriffen der Soldateska. Im Benediktinerkloster von Shrewsbury suchen u.a. zwei Brüder Zuflucht, Humilis und Fidelis. Bruder Humilis, um einiges älter als Fidelis, leidet schwer an einer früheren Verwundung und es ist fraglich, wie lange er noch zu leben hat. Bruder Fidelis, der stumm ist, kümmert sich aufopfernd um ihn. Beide umgibt eine Art Geheimnis, das Bruder Cadfael zunehmend zu interessieren beginnt, zumal der Fall einer jungen Frau, die vor Jahren verschwunden ist, mit einem Mal wieder an Bedeutung gewinnt. Und Bruder Cadfael möchte natürlich herausfinden, was es damit auf sich hat. Die Lösung ist ebenso einfach wie problematisch, besonders für das Kloster.
Mich berührt sehr, wie Ellis Peters die beiden Handlungsstränge zusammenführt. Es ist eine traurige, tragische, aber auch von tiefer Humanität getragene Fabel. Und dass die Autorin wunderbare Liebesszenen schreiben kann, zeigt sich einer Stelle gegen Ende des Romans ganz besonders. Liebe ist hier in einem viel tieferen Sinn gemeint und hat mit unseren heutigen sex-akrobatischen Verrenkungen in vielen Romanen nicht das mindeste zu tun. Es ist wohl gerade diese Szene, die mir das Buch unvergesslich macht.
Buder Cadfael und die schwarze Keltin
Cadfael muss sich 1144 mit Bruder Mark auf eine diplomatische Reise in das unsichere Wales begeben. Er kennt Mark von früher, als dieser noch als Novize mit ihm in Shrewsbury lebte. Inzwischen ist Mark in der Ordenshierarchie aufgestiegen und wegen seiner diplomatischen Art als Vermittler gefragt. Für seine gefährliche Mission zu Owain, dem Fürsten von Gwynedd, hat er sich Cadfael erbeten. Auf ihrer Reise lernen sie eine ausnehmend schöne junge Frau kennen, eine Keltin namens Heledd. Sie soll einen Mann heiraten, den sie nicht kennt und den sie auch nicht will. Natürlich geschieht ein Mord, Owains Bruder Cadwaladr spielt falsch und will die Macht an sich reißen, die räuberischen Dänen kommen ins Spiel. Was Cadwaladr mit ihnen zu tun hat, was Heledd im Schilde führt, um der ungeliebten Heirat zu entkommen und wie sich Bruder Cadael und Bruder Mark dazu verhalten, das ist ebenso spannend wie teilweise amüsant zu lesen. Und wieder ist es die Menschlichkeit der beiden Mönche, die alles zu einem guten Ende führt. Und auch hier gibt es am Ende eine wunderschöne, ja poetische Liebesszene, die es sich lohnt, immer wieder einmal zu lesen und sich an ihr zu erfreuen.
Bruder Cadfaels Buße
Cadfael lebt zufrieden in seinem Kloster, er hat sich mit den kleinen und größeren Schwächen seiner Mitbrüder arrangiert und ist alt geworden. Da wird ihm Nachricht von seinem Sohn Olivier de Bretagne überbracht. Von dessen Existenz hatte er lange nicht gewusst. Erst im Jahr 1139 begegnet er ihm (Die Jungfrau im Eis) und kann ihm zu seinem Glück verhelfen. Nun, im Jahr 1145, erfährt Cadfael, dass sein Sohn in die Hände eines Warlords, Philip FitzRobert, gefallen ist, der ihn in seiner Burg La Musarderie gefangen hält. Es scheint ein sehr persönliches Motiv dafür zu geben. Cadfael bittet um Erlaubnis, um nach seinem Sohn zu suchen und ihn womöglich zu befreien, aber der Abt gewährt ihm den dafür nötigen längeren Urlaub nicht. Und so handelt Cadfael zum ersten Mal gegen die Ordensregel und macht sich auf die Suche nach seinem Sohn.
Noch einmal zieht der nun 65-jährige Cadfael aus, muss einen Mord aufklären und gerät nach langer Zeit wieder in die Welt der Ritter und Kämpfer, muss sich mit ihrem Ehrenkodex auseinandersetzen, der sie nicht hindert, je nachdem die Seiten zu wechseln und ihre einstigen Gönner zu verraten. Verrat gibt es allerdings auf allen Seiten ebenso wie Verschwörungen und Kämpfe um Macht und Geld. Dennoch gilt, dass auch ein Widersacher auf seine Weise ehrenhaft sein kann und nicht nur ein Unmensch zu sein braucht. Dies zeigt Ellis Peters am Beispiel Philip FitzRoberts, der einer historischen Gestalt nachempfunden ist.
Bruder Cadfael weiß nicht, ob er nach Beendigung seiner Mission wieder in Shrewsbury in seinem Kloster, das in vielen Jahren zu seiner Heimat geworden ist, aufgenommen wird. Er geht jedes Risiko für die Rettung seines Sohnes ein. Und am Ende rettet er auch noch einen ganz anderen, einen, von dem man das nicht erwartet hätte. Aber so ist Cadfael nun einmal.
Was die Romane auszeichnet und was sonst noch zu sagen wäre
Die Filme mit Sir Derek Jacobi sind auch heute noch sehenswert und von guter Qualität, wenn auch klar ist, dass sie in 90er Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden sind. Aber mir ist der Cadfael der Romane in seiner hier stärker zum Tragen kommenden Menschlichkeit doch näher und damit lieber. Die meisten Romane sind bei Heyne erschienen, mittlerweile aber nur noch gebraucht oder als E-Book zu bekommen. Die Krimis um Inspektor Felse gibt es nur noch gebraucht. Auch diese Romane, die in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts in Wales, Cornwall oder anderen Regionen bzw. Ländern in Europa spielen, sind lesenswert
Ob es sich um die Geschichten um Bruder Cadfael oder die anderen Romane wie die um Inspektor George Felse handelt: Immer sind sie gut recherchiert, fundiert im Plot und im Aufbau. Darüber hinaus sind sie menschlich berührend, nie auf das heute vielfach übliche platte bzw. reißerische Sex and Crime sells only aus. Es gibt keine Gewaltexzesse, die Täter sind in der Regel Menschen, die sich einer Notlage befinden oder an sich und ihren Fehlern scheitern. An vielen Stellen bietet Ellis Peters eine psychologische Vertiefung ihrer Charaktere, die sie umso glaubwürdiger machen. Sie hat Humor und ihre Kenntnisse als Apothekerin bringt sie mit Bruder Cadfael als ihrem berühmtesten Protagonisten vielfältig ein. Ellis Peters war sehr an Geschichte interessiert, insbesondere an der o.g. Zeit. In ihren Romanen wird die Zeit des 12./13. Jahrhunderts lebendig mit all ihren Schatten- aber auch ihren guten Seiten. Ihr Interesse galt auch der Geschichte Wales und dessen Aufbegehren gegen die englische Herrschaft (s. Brothers of Gwynedd). Shrewsbury liegt an der Grenze zu Wales. Ellis Peters hat ein enormes geschichtliches Wissen, das sie in ihre Romane um Bruder Cadfael einbringt. Neben Mord und Liebe erfährt der Leser/die Leserin viel über englische und walisische Geschichte.
Heyne - u.a. 1991, 2002, 2003 - Buch
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