Buch-Welt-Musik
Medium Rezension
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Martin Grubinger
The Percussive Planet - Live in Köln
Martin Grubinger & the Percussive Planet-Ensemble
Konzertmitschnitt von 2010
Den Österreicher Martin Grubinger (geb. 1983 in Salzburg) lernte ich kennen durch meine Lieblingsmusiksendung „KlickKlack“ (BR). Von Anfang an beeindruckten mich seine Spontaneität, Lebendigkeit und Begeisterung, mit der er von seiner Arbeit sprach. So viel Leidenschaft und Körpereinsatz, die absolut beeindruckend sind. Wenngleich seine Art von Musik zunächst nicht unbedingt die meine war – ganz anders als sonst und insbesondere lauter Instrumente, die viel, viel Lärm machen können. Das können andere Instrumente auch. Aber Schlagzeug, Trommeln, japanische Gongs, Bongos, Kongas, Bassdrums, sind sehr rhythmisch, kennen zwar durchaus lyrische Momente, der Rhythmus überwiegt jedoch. Hinzu kommen Glockenspiel, Marimbaphon und Xylophon – die sorgen für die Melodien, können aber auch sehr rasant gespielt werden. Und die Kompositionen sind sehr modern. Nicht nur klassische Moderne, sondern auch Tango, Salsa, Samba, Minimal Music, Rock Drumming, Pop Drumming, Taiko-Drumming aus Asien. Das alles war sehr ungewohnt für mich, aber sehr faszinierend.
Denn die Begeisterung und Leidenschaft Martin Grubingers und seines Ensembles reißen mit. Auch sind die Auftritte sehenswert, nicht nur hörenswert. Martin Grubinger gelingt es, die Musik hörbar, fühlbar und sichtbar zu machen. Seine Auftritte haben auch jede Menge visuellen Wert. Wer's nicht glaubt, sollte sich selbst davon überzeugen. Und ich lernte, dass ich da einem Meister seines Genres begegnete, für den namhafte Komponisten ihre Werke schrieben, der mit großen Sinfonieorchestern auftrat und für volle Säle sorgte. Insbesondere ihm ist zu verdanken, dass sich das Schlagzeug als Soloinstrument im Konzertsaal etablieren konnte.
Die DVD „The Percussive Planet“
Ich ließ mich mehr und mehr auf diese Art Musik ein. Und so stieß ich auf die vorliegende DVD. Und da kann man Werke wie „The Wave“ von Keiko Abe kennenlernen und musikalisch einen Streifzug durch Afrika, Amerika, Europa und Australien machen. Mal mit größerer, mal mit kleinerer Besetzung, auch ein Bläserensemble ist dabei. Die Kameraführung finde ich wirklich gelungen, man ist als Zuschauer ganz nah an den Künstlern und den Instrumenten. Martin Grubinger ist natürlich der Star, der Solist und Leiter des Ensembles, aber er steht durchaus nicht dauernd im Mittelpunkt. Die allesamt erstklassigen Musiker werden sehr schön mit ihren Fähigkeiten in Szene gesetzt, musikalisch und bildlich. Und irgendwie gelingt es der Kamera, auch farblich die Musik einzufangen.
Das Stück von Keiko Abe „The Wave“ ist aus dem Jahr 2000 und für Marimba sowie vier Percussionisten komponiert, ein Wechsel von rasanten Rhythmen und lyrischen Passagen. Der Grieche Iannis Xenakis ist mit „Okho“ von 1989 vertreten mit afrikanischen, archaischen Impulsen, aus einem einfachen Rhythmus entsteht ein „sich immer weiter verzweigendes Stimmengeflecht, dass am Schluss „quasi unsisono“ wieder zusammenfindet“ (aus dem Begleitheft). „Ghanaia II“ ist vom Würzburger Komponisten Matthias Schmidt und entführt in die Welt Afrikas, ist eine Hommage an die Rhythmen Ghanas und an die Menschen der Region, die diese Musik seit Jahrhunderten leben. Dieses Werk hat Martin Grubinger neu arrangiert, so dass aus dem ursprünglichen Marimba-Solostück ein Werk für weitere afrikanische Instrumente wird, bei dem „Melodie und Rhythmus zu einem visuellen Klangerlebnis werden“ (aus dem Begleitheft). Hier wird wirklich Musik auch visuell erfahrbar. Das Stück „Moods for interaction“ des Australiers Rod Lincoln aus dem Jahr 1985 wurde erweitert für großes Blechbläserensemble, Klavier und fünf Percussionisten. Und hier kann man dann Interaktion erleben. Das macht Spaß und reißt mit, genauso wie „Just kiddin“ von Michel Camilo von 1985, ein „Fusionspaket aus Modern Jazz und afrokaribischen Rhythmen“ (aus dem Begleitheft).
Das letzte Stück ist an Virtuosität nicht mehr zu überbieten: „Mit nur zwei Sticks lässt er in seinem Stück „Planet Rudiment II“ (2006) um die tausend Schläge pro Minute herunterprasseln“ (aus dem Begleitheft).
Fazit
Hörens- und sehenswert! Martin Grubinger sagt zu seiner Art Musik zu machen: „Sich auf dem Konzertpodium am Limit des Machbaren zu bewegen, in den Tiefen verschiedenster Kompositionen zu schürfen, das schier Unhörbare und das beinahe Schmerzverursachende gegenüberzustellen, sich im polyrhythmischen Kosmos zu verlieren – so wird Musik zur Bewusstseinserweiterung.“ (aus dem Begleitheft)
Wer Martin Grubinger und seine Mitstreiter einmal erlebt hat, kann ihm nur zustimmen.
Zum Schluss
Darüber hinaus imponiert mir sein gesellschaftliches Engagement mit seiner deutlichen Positionierung gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, ganz grundsätzlich, aber auch speziell in Österreich.
WDR/Deutsche Grammophon - 2011 - DVD
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