Henning, ist Ehemann, zweifacher Vater, einer von den emanzipierten, der nicht pro forma für die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ist, sondern versucht, dies auch im Alltag zu leben. D.h., die Eheleute praktizieren ein modernes Familienmodell, meint, sie kümmern sich beide um die Kinder, Beruf und Hausarbeit. Aber Henning geht es nicht gut, er fühlt sich überfordert mit den verschiedenen Rollen, die ihm dieses Modell abverlangt. Dieser Zustand permanenter Überforderung hat ihm Panikattacken und Versagensängste eingetragen. Bei einem Urlaub auf Lanzarote, den er selbst ausgesucht hat gegen den Wunsch seiner Frau, überfallen ihn seine Ängste immer wieder und stärker, obwohl er gerade gehofft hatte, sie durch diesen Urlaub zurückdrängen zu können. Auf einer Radtour ohne die Familie, die ihn über die Grenzen seiner körperlichen Fähigkeiten hinausführt, arbeitet er sich an seinen Ängsten, Wutgefühlen und Verletzungen ab, schreit seinen ganzen Frust aus sich heraus. Und plötzlich sieht er sich mit seiner Vergangenheit konfrontiert, mit Erinnerungen, die bis in seine Kindheit zurückreichen.
Bei Autoren, die vom Feuilleton hoch gelobt werden, bin ich immer etwas skeptisch. Viele Bücher werden vorgestellt, bei denen ich mich frage, was denn da so großartig sein soll. Dieses Buch wurde mir von einer Bekannten empfohlen. Es war ein guter Tipp. Julie Zeh hat es von Anfang an verstanden, mich für Henning zu interessieren. Was ist das für ein Typ, was sind seine Probleme, woher kommen die? Ist er nicht ein bisschen wehleidig? Frauen müssen das alles, von dem Henning überfordert ist, schon von jeher stemmen. Wo ist das Problem? Irgendwann dachte ich, na, wofür der sich alles verantwortlich fühlt – kein Wunder, dass es ihm schlecht geht. Ist das nicht ein bisschen viel? Wer erwartet eigentlich so viel von ihm? Hat das nicht etwas mit ihm selbst zu tun? Hat er nicht den Anspruch an sich, perfekt zu sein in seiner Rolle? Auch sein exzessives Radfahren – in was für einer Leistungsspirale steckt er? Seine Frau hat aufgegeben, ihm zu helfen. Henning könnte eine Karikatur des modernen Mannes sein, der in seinem Hamsterrad gefangen ist und den Ausgang nicht kennt.
Bis zur Mitte des Buches folgt man Henning auf seinem Weg zu sich selbst oder von sich weg – das ist nicht so klar. Und er wirkt dabei nicht wie eine Karikatur. Die Autorin macht sich nicht über ihn lustig. Ab der Mitte ändert sich auf einmal alles. Henning glaubt, die Landschaft oder Teile von ihr zu kennen. Er beginnt zu suchen in den Orten, aber auch in seiner Erinnerung. Und er wird fündig. Er bekommt eine Art Schlüssel für die Herkunft der Attacken. Und forscht weiter nach.