Buch-Welt-Musik
Medium Rezension
1068
Perahia, Murray
Mozart Klavierkonzerte - Gesamtaufnahme
Solist und Dirigent: Murray Perahia
English Chamber Orchestra
Ich habe Mozarts Klavierkonzerte vor vielen Jahren durch und mit Murray Perahia kennengelernt. Nun habe ich die Aufnahme wieder hervorgeholt und, wie ich es empfinde, noch einmal ganz neu gehört. Bei den ersten Aufnahmen war er erst 29 Jahre alt. Und ich erinnere mich gelesen zu haben, dass Kritiker ihn für zu jung hielten, dass man ihm eine solche Aufgabe so früh anvertraute: Nicht „nur“ die Konzerte zu spielen (und gleich alle), sondern sie auch noch zu dirigieren.
Nun, auch Kritiker können sich irren. Für mich war und ist es die beste Hinführung zu Mozarts Klavierkonzerten, die man sich nur denken kann. Von Anfang an begeisterte mich Murray Perahias große Sensibilität, die Ernsthaftigkeit, mit der er auch die Jugendwerke Mozarts anging, und dabei genau dies berücksichtigte: Ihre Frische, ihre Unverbrauchtheit, das überschäumend Jugendliche und doch auch schon die dunklen Töne hörbar zu machen. Klar gespielt, akzentuiert und berückend natürlich. Und später dann das Flirrende, Raffinierte, das in Mozarts Musik auch liegt, das Sinnliche, das Verrückte, das so normal daherkommt, das Nebeneinander von Freude und Leid, von Spaß, Schabernack und tiefem Ernst, Spiel und hoher Kunstfertigkeit, Größe und Einfachheit. Und immer war mir, als würde eine kleine oder große Oper aufgeführt, eine Geschichte erzählt. Die Erkenntnis, dass auch Mozarts symphonische Werke und Konzerte (für Violine oder Klavier oder andere Solo-Instrumente) wie eine Art Opern aufzufassen sind, hat sich u.a. seit Nikolaus Harnoncourts Erkundungen mehr und mehr durchgesetzt und kommt schon in dieser Aufnahme zur Geltung.
Das Schöne an einer Gesamtaufnahme ist, dass man die Entwicklung eines Komponisten/einer Komponistin entdecken kann. Etwas, was schon in den Jugendwerken angelegt ist, das erst viel später ausgeführt wird. Mozart-Kenner werden sicher eine Reihe von Motiven, von Klangfolgen und Themen, die er in anderen Werken verarbeitet oder ausarbeitet, wiedererkennen. Nur ein Beispiel: Im 5. Klavierkonzert, also einem frühen Werk, taucht ein Motiv auf, dass Mozart in seiner „Zauberflöte“ später aufgreift. Es erinnert an die Königin der Nacht (die Worte: alle Bande der Natur). Und da gibt es viele Beispiele mehr.
Fazit:
Nach all den Jahren ist es immer noch eine Aufnahme, die begeistert und berührt. Und die von ihrer Frische, Jugendlichkeit und Tiefe nichts, aber auch gar nichts verloren hat. Ich kenne auch andere Aufnahmen und mag sie. Aber von Anfang an hat mich Murray Perahias Spiel berührt wie kaum ein anderes. Es ist tief, nachdenklich, leidenschaftlich, zärtlich, innig. Und das Zusammenspiel von Klavier und Orchester ist einfach berückend. Eine große Vertrautheit zwischen ihnen ist zu spüren.Wie sie miteinander umgehen, reden, fühlen. Das Orchester antwortet auf das Klavier phänomenal einfühlsam, das Klavier ist nicht nur Solist, sondern auch Teil des Ganzen. In Mozarts Universum ist das Ich Teil des Ganzen. Deshalb geht es auch nicht unter, nicht verloren. Wie in dieser Aufnahme zu hören.
Wer mehr über die Klavierkonzerte erfahren möchte, über KV 595, das als letztes von Mozart eingetragen wurde in sein Werke-Heft, hier geht es weiter.
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