1061 Kaufmann, Jonas Eine italienische Nacht – live von der Waldbühne Berlin Leitung: Jochen Rieder Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin Solisten: Jonas Kaufmann, Anita Rachvelishvili Aufnahme vom 13.7.2018 | Ich war bei diesem großartigen Konzert dabei. Jonas Kaufmann war in Bestform und seine Bühnenpartnerin Anita Rachvelishvili der Überraschungsgast in jeder Hinsicht. Diese beiden Künstler zusammen mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und seinem Dirigenten Jochen Rieder boten ein Highlight nach dem anderen. Dabei waren die Wettervoraussetzungen gar nicht gut. Ein nicht enden wollender Wolkenbruch vor dem Konzert, viele nass gewordene Zuschauer und drohende neue Schauern, ein Temperatursturz ließ frösteln – keine einfache Aufgabe für die Künstler, vor allem zu Beginn. Aber diese Unbilden gerieten dann bald in den Hintergrund, Musik und Musiker zogen in ihren Bann. Die neue CD bildet in Teilen das Konzert ab und beinhaltet auch die meisten Titel von der CD „Dolce Vita“ vor einigen Jahren. Sie ist aber durch die Arien und Stücke aus „La Gioconda“ und „Cavelleria rusticana“ alles andere als einfach eine Neuauflage. Und die Duette mit Anita Rachvelishvili allein sind diese CD wert. Der erste Teil des Konzertes wurde mit Arien aus italienischen Opern bestritten, die nicht alle auf der CD zu hören sind. Die Canzoni (Lieder) aus dem zweiten Teil des Konzertes umfassen dann die Titel „Ti voglio tanto bene“, „Voglio vivere così“, „Mattinata“, „Rondine al nido“, Parlami dàmore, Mariú“ und all die anderen beliebten Songs, die auch auf der CD „Dolce Vita“ zu hören sind. „Caruso“ interpretierte Anita Rachvelisvili. Ihre Interpretation gefiel mir gut, sehr zurückgenommen, eine große Stimme so klein – auch das muss man können. „Musica prohibita“, „Il canto“ und „Volare“ wurden in Duettform präsentiert. Bei „Volare“ konnte das Publikum mitsingen, was es mit Lust und Liebe tat. Am Ende dann „Nessun Dorma“. Das scheint so eine Art Hymne geworden zu sein. Das Publikum war hingerissen, alles sprang auf und feierte seinen Helden Jonas Kaufmann mit nicht enden wollendem Applaus. Man muss kein Fan sein, um diese CD zu mögen (wenn man diese Art Musik mag). Das Programm mit dem Opernteil und den anderen Titeln ist sorgfältig und sehr durchdacht ausgewählt. Manche(r) mag zu Beginn überlegt haben, wieso so tragische Oper, wo bleibt die „Italienische Nacht“ mit „Dolce-Vita-Feeling“? Ja, das gab es später auch, aber Jonas Kaufmann ist mit seiner Italien-Liebe von einem sentimentalen Italien-Bild doch weit entfernt. Da wollte er wohl schon mehr. Ich finde, vor allem im Nachgang, das Programm wirklich gelungen.Von Anita Rachvelishvili, die ich nicht kannte, war ich besonders begeistert. Das ist eine Entdeckung, große Stimme, dramatisch, bittend, flehend, zornig als Santuzza, leidenschaftlich, zärtlich, spöttisch, witzig, verspielt in den Songs. Sie und Jonas Kaufmann zusammen singen atemberaubend, erschreckend intensiv, ja überwältigend das große Duett aus „Cavelleria rusticana“. Er singt die Canzoni noch intensiver als auf der CD „Dolce Vita“, gleichzeitig eigener und selbstsicherer, ja irgendwie leichter, freier in der Interpretation, seine Stimme klingt weich, dann wieder spöttisch, selbstironisch, schmachtend, leidenschaftlich, warm und lebensfroh, eine Stimme wie Samt und Seide. Das Publikum jedenfalls war begeistert. (Trotz der schlechten Wetterbedingungen. Zum Glück regnete es während des Konzertes nicht.) Die DVD/Blu-ray ist erschienen und natürlich habe ich sie mir geschenkt. Warum also die CD noch? Ich möchte die Arien und Lieder auch so hören. Und ich bin dann von Bildern weniger abgelenkt und kann mich besser auf die Stimmen konzentrieren, auf deren Farben, Nuancen, Schattierungen. P.S.: Was die Vergleiche mit Pavarotti (der die Canzoni angeblich noch besser singt) oder anderen sollen, die ich immer wieder lese, verstehe ich nicht. Vergleiche bringen gar nichts. Es kann doch nicht nur die eine und einzige Interpretation geben. Das wäre einseitig, langweilig und vor allem der Musik und der Kunst völlig unangemessen und verfehlt. Und warum sollte Jonas Kaufmann Pavarotti sein wollen? Abgesehen davon, dass man ihm das auch wieder zum Vorwurf machen würde. Er ist doch er selbst. Das sollte reichen. Es sei denn, eine eigene Persönlichkeit zu sein, wäre etwas, was man jemand vorwerfen könnte. Sony classical - 2018 - Audio-CD |