Die CD wurde im Radio auf WDR 3 vorgestellt und ich war an diesem Abend unterwegs. Das war ganz eigentümlich. Das Stück, das ich hörte, stammt aus einer Händel-Sonate (der Nr. 2 in F-Dur, Track 12, Adagio). Murray Perahia spielte es so sanft, so nachdenklich, mir war, als spräche da jemand und ich verstünde, was er sagt. Natürlich nicht wörtlich, aber so, dass mir schien, es ginge um den Sinn des Lebens. Das war eine ganz neue Erfahrung: Ein Pianist spricht mit der Musik zu mir, zu den Hörern und Hörerinnen, natürlich, aber eben auch zu mir. Das ließ mir keine Ruhe und so kaufte ich mir die CD. Dafür musste ich aber erst einmal einen CD-Player kaufen. Der war 1997 noch nicht selbstverständlich – merkwürdig, heute verdrängt der Computer mehr und mehr die CD.
Wie auch immer: Zuhause stellte ich fest, dass das so einfach mit der CD nicht lief. Ich war damals noch nicht gewohnt, Klaviersonaten zu hören, hatte mehr Erfahrung mit Klavier und Orchester. Ich brauchte eine Weile. Dann aber war ich mehr und mehr begeistert. Meine Güte, das war technisch perfekt und gleichzeitig so ausdrucksstark, aber ohne jede Attitüde, ohne Pomp and Circumstances. Einfach, natürlich, aber welch ein Können!
Das Air auf der Suite Nr. 5 (Track 4) beginnt langsam, fröhlich und unbekümmert. Mit jeder Variation steigert sich das Tempo, lässt aber auch Raum für rhythmische Abweichungen. Zum Schluss ist das Tempo atemberaubend. Und doch ist jeder Ton klar und deutlich zu hören. Unglaublich. So geht es weiter, jedes Stück transparent, temperamentvoll, nachdenklich, klar akzentuiert und immer natürlich.
Die Sonaten von Domenico Scarlati interpretiert er sehr rhythmisch, tänzerisch und mit viel Nach- und Ausdruck.