Buch-Welt-Musik
Medium Rezension
1047
Padura, Leonardo
Der Nebel von gestern
2005 Barcelona - gebundene Ausgabe
Übersetzung: Hans-Joachim Hartstein - Aus dem kubanischen Spanisch
Inhalt
Mario Conde, seit 13 Jahren aus dem Polizeidienst geschieden, schlägt sich als Buchkäufer und -Verkäufer in Kuba durch. Die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse haben sich nicht nur nicht verbessert – der immer wieder versprochene Wirtschaftsaufschwung ist ausgeblieben. Den Menschen in Kuba geht es noch schlechter. Auch El Conde, wie ihn seine treuen Freunde nennen, ist davon nicht verschont worden. Er kann sich noch immer nicht mit dem menschlichen Makel abfinden und lehnt es ab, andere zu betrügen, auch wenn er sich selbst dabei schadet. Er lebt von seinem Verdienst als Antiquar, erzielt manchmal einen guten Preis, manchmal aber auch weniger Geld. Vorbei die Zeiten, in denen Josefina, die Mutter des Dünnen Carlos und Ersatzmutter für Mario, die wohlschmeckendsten Gerichte auf den Tisch zaubern konnte.
In seinem Kompagnon Yoyi, genannt El Palomo (der Täuberich) findet er einen guten Geschäftspartner, der ihn nicht betrügt. Ohne ihn wäre der Idealist wahrscheinlich verloren. Mit Yoyi klappert er ehemals glänzende, nun verfallende Häuser ab auf der Suche nach interessanten und wertvollen Büchern. Ihre zumeist alten, verarmten Besitzer sind bereit, sie verkaufen, um sich etwas zu essen besorgen zu können. In der Regel haben sie schon alles andere, wie Möbel, Tafelsilber oder Geschirr, veräußert.
Eines Tages entdeckt er in einem dieser Häuser eine unermesslich wertvolle Bibliothek. Die beiden Bewohner, die Geschwister Amalia und Dionisio, sind bereit zu einem Geschäft, ansonsten würden sie verhungern. Conde und Yoyi beginnen, Bücher auszusortieren. In einem Kochbuch, das Conde mit nach Hause genommen hat, entdeckt er einen Zeitungsartikel über eine außergewöhnliche Bolero-Sängerin namens Violeta del Mar. Der Artikel lässt ihn nicht mehr los. Er möchte mehr über diese geheimnisvolle und verführerische Frau erfahren, die Ende der 1950er Jahre in Havanna gelebt hat und der Männer wie Frauen verfallen waren. Er begibt sich auf die Suche nach ihr und findet eine Schallplatte mit einer Aufnahme, die sie eingespielt hat. Der Titel: „Geh fort von mir“ fasziniert ihn und lässt ihn nicht mehr los. Der Spürhund in ihm erwacht und statt der Empfehlung zu folgen, tut er das Gegenteil und lässt sich damit auf ein großes Abenteuer ein, dass ihm einiges an Unannehmlichkeiten und unerwarteten Schwierigkeiten bringt.
Fazit:
Schön, Mario Conde, dem nach außen harten und zynischen Polizisten, nach innen sensiblen Romantiker aus dem „Havanna-Quartett“ wieder zu begegnen. Mit ihm, dem Erinnerungsfetischisten, wie ihn der Dünne Carlos, sein bester Freund, nennt, und seiner Passion für die Vergangenheit, für das Kuba der vorrevolutionären Zeit, tauchen die Leser in diese Welt ein, in das Havanna, von dem es im Buch heißt: „Havanna war die aufregendste Stadt der ganzen Welt! Die Nacht begann um sechs Uhr abends und hörte nie auf. Einfach so, … hast du zwischen Marlon Brando und Cab Calloway gesessen, gleich neben Errol Flynn und Josephine Baker. Mit all den verrückten Leuten, den besten Musikern, die Kuba je hervorgebracht hat. Kannst du dir das vorstellen?“
Von dieser Zeit mit ihren Licht- und vor allem Schattenseiten erzählt Leonardo Padura mit sicherem Erzählinstinkt, ohne Schnörkel, aber mit viel Liebe und Verständnis für seinen Helden und seine treuen Freunde. Und natürlich für sein Havanna und sein Kuba, so alt, krank, verlaust, verfallen und doch auch wieder schön es sein mag. Er singt zudem ohne Sentimentalität ein Loblied auf die Freundschaft und die Liebe, ohne die das Leben nicht lebenswert wäre.
Unionsverlag - 2008 - Buch
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