Mary Poppins war eine geliebte Begleiterin meiner Kindheit. Auch später habe ich die Bücher immer wieder gelesen, bis heute. Das Filmmusical mit Julie Andrews ist ganz nett, wird aber dem Charakter der Bücher nicht gerecht, weil doch etwas zu süßlich, und letztlich zu oberflächlich. Insbesondere die Zeichentrickelemente waren mir immer zu sehr Walt Disney und hatten mit den Zeichnungen in den Erzählungen nichts gemein, die den oft skurrilen und schrägen Charakteren der Figuren viel näher kamen.
Die phantastische, oft melancholische und geheimnisvolle Welt der Mary Poppins ist viel tiefer als die Hollywood-sterile Weihnachtswunderwelt Walt Disneys ermessen kann.
Da über Pamela Travers so gut wie nichts bekannt war und ich mich immer gefragt habe, wer und was diese Autorin sein könnte, war ich erfreut, die Biographie von Valerie Lawson zu finden. Ich hatte mit Interesse und Anteilnahme den Film "Saving Mr. Banks" gesehen (mit einer wundervollen Emma Thompson als Pamela Travers), der auf dieser Biographie basiert..
Das Buch ist informativ und gut zu lesen (wenn man Englisch kann). Es zeigt eine Menge an wissenswerten Einzelheiten über die Kindheit und Jugend, über ihren familiären Hintergrund (insbesondere die überforderte Mutter und den Vater, der ein Alkoholiker war).
P.T. lebenslange Sehnsucht und Suche nach einer Vaterfigur wird ebenso thematisiert wie ihre durchaus egoistischen Züge und Neigungen zu spirituellen Führern wie dem griechisch-armenischen Esoteriker Georges I. Gurdjieff oder dem irischen George William Russelll (nannte sich A.E. - eine Abkürzung für eine bestimmte esoterische Ideen).
Viele Personen aus Travers Umkreis tauchen in den Büchern wieder auf, die Herkunft vieler märchenhaften Elemente wird deutlich, ihre spirituellen Interessen sowie die durchaus schwierige Beziehung zu Kindern und ihrem Adoptivsohn. Gerade diese zeigt, wie egoistisch und uneinsichtig Travers sein konnte. Ich fand sehr wichtig die Kapitel, in denen Lawson die Transformation von Helen Goff in Pamela L. Travers beschreibt. Travers war einer der Vornamen ihres Vaters. Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf die Person und den Charakter der Schriftstellerin.
Valerie Lawson bemüht sich, Travers weder zu idealisieren noch zu demontieren. Sie hat viele Zeugnisse zusammengetragen, sagt aber auch an vielen Stellen, dass die Faktenlage nicht so klar ist, weil Travers ihr Privatleben immer unter Verschluss hielt. Da, wo es in den Bereich der Spekulation geht, sagt sie das auch und ist entsprechend vorsichtig. Mit dem Adoptivsohn hat sie selbst sprechen können und er hat ihr auch Zugang zu Informationen gewährt, die von Bedeutung für das Buch sind.
Wie immer bei bewunderten Figuren stellt sich die Frage, ob man ihnen im Leben wirklich begegnen wollte oder sollte. Diese Frage muss natürlich jeder für sich beantworten. Für mich tut der problematische Charakter der Autorin aber meiner Freude an ihren Büchern keinen Abbruch. Er zeigt nur, dass wir es mit Menschen zu tun haben.
Wer wirklich etwas über Pamela Travers erfahren möchte, ist mit diesem Buch gut beraten, zumal es meines Wissens die einzige Biographie über Pamela L. Travers ist.